Ein zeitloses Stück

Wieder ein großer Erfolg im Theater Scala in der Wiedener Hauptstraße: Rüdiger Hentzschel inszeniert „Der Fall Furtwängler“ von Ronald Harwood. Das Well-Made-Stück aus den USA, war wegen seines politischen einer der großen Erfolge der späten 90er-Jahre, zuletzt gezeigt vom Theater in der Josefstadt im Rabenhof.

Es geht in dem Stück, wie der Name schon sagt, um den deutschen Dirigenten Wilhelm Furtwängler, der nach 1945 Berufsverbot hatte. Major Arnold , ein amerikanischer Offizier, ist mit der Untersuchung des Falles betraut, befragt Zeugen, und schlussendlich den „bandleader“, wie er ihn nennt. Furtwängler muss seinen Hochmut als größter Dirigent der Klassik herabschrauben, sich demütigen lassen, um wieder arbeiten zu können. Arnold erspart ihm keine Erniedrigung.

Beide Theaterfiguren, der bedeutende Dirigent, der schon durch den neu aufsteigenden Karajan bei den Nazis ins Eck gedrängt worden war, und der die Deutschen hassende Major Arnold, sind in dieser Inszenierung blendend gezeichnet und in der Scala von Jörg Stelling und Daniel Keberle hervorragend interpretiert. Dazu der zweite Offizier Leutnant Wills (Florian Graf) und die deutsche Protokollführerin Emmi Straube (Natalie Ananda Assmann) die, zum Missvergnügen von Arnold für den Dirigenten, Partei ergreifen.

Hermann J.Kogler spielt den Spitzel auf allen Seiten, Helmuth Rohde, Monika Pallua hat einen heftigen Auftritt als Tamara Sachs. Rüdiger Hentzschel hat in dem von Bruno Max gestalteten Raum eindrucksvoll Regie geführt und die Zeitlosigkeit dieses blendend gebauten Stücks hervorragend unter Beweis gestellt.

Neue Kronenzeitung, 5.11.2103, V.P.

Ein Musterbeispiel für außerordentlich gute Kunst

"Der Fall Furtwängler" sorgt für viel Jubel im Stadttheater.

MÖDLING. „Nur einen Trennungsstrich erkenne ich letzten Endes an: den zwischen guter und schlechter Kunst“, so Furtwängler in einem offenen Brief an Goebbels nach Hitlers Machtergreifung. Eines lässt sich ganz klar sagen: Das derzeitig im Stadttheater Mödling aufgeführte Stück „der Fall Furtwängler“ ist ein Beispiel für außerordentlich gute Kunst. Mit einem unveränderten Bühnenbild verbunden mit Videosequenzen, Musikaufnahmen und Fotos gelang es Rüdiger Hentzschel das Publikum mit auf eine Reise in die Nachkriegszeit zu nehmen. Es gelang dem Team des Stadttheaters den Zuschauern nicht nur einen gelungen Theaterabend zu bieten, sondern auch einen Dirigenten, dessen Talent leider in Vergessenheit geriet, ins Gedächtnis zu rufen. In nur 2 Stunden bekam man einen Eindruck von Furtwänglers Talent und seiner Unterstützung der Juden, sowie von der Arbeitsweise mancher Behörden im Zuge der Entnazifizierung. Sowohl als historisch interessierte Person, als auch als Musiklieber und Kunstinteressierter wird man bei diesem Stück vollkommen auf seine Kosten kommen. Alles in allem eine großartige Inszenierung, die noch bis 19.10. im Stadttheater Mödling zu sehen ist. Wir empfehlen: Karten kaufen und einen unvergesslichen Abend verbringen!

Bezb Mödling, N.N.

Der Fall Furtwängler als Antwort auf derzeit mehr als brennende Fragen

"Der Fall Furtwängler" sorgt für viel Jubel im Stadttheater.

Ronald Harwood ist unverdächtig, in jeder Weise. Er wurde 1934 als Kind jüdischer Einwanderer in Südafrika geboren. Seine Karriere als Schauspieler begann er in England und wurde zu einem der erfolgreichsten Drehbuchautoren, gekrönt mit einem „Oscar“ für dem Film „Der Pianist“. Im Theaterstück „Der Fall Furtwängler“ (Taking Sides) arbeitet Harwood gleich eine ganze Reihe von Fragen auf. Es geht um Mitschuld oder Unschuld von Kunstschaffenden, die sich mit dem Naziregime arrangiert und diesem damit wesentliche Dienste geleistet hatten. Es geht aber auch um den respektlosen Umgang mit Ausnahmekönnern, die wegen eines solchen Sündenfalles der siegreichen Gegenseite ausgeliefert waren, und es geht um die Macht der Kulturlosigkeit, die sich anmaßt, Künstlern die Kunstausübung verbieten zu wollen. Es macht dabei im Grunde wenig Unterschied, ob es sich um die Hetze gegen entartete Kunst handelt oder um das Arbeitsverbot bis zu einer eventuell positiven Erledigung eines Entnazifizierungsprozesses.

Das Theater Scala in der Wiedner Hauptstraße hat sich des Falles Furtwängler in einer Zeit angenommen, in der über Kunstfragen, die mit dem Dritten Reich zusammenhängen, heißer denn je diskutiert wird. Abgesehen von den aktuellen Schlagzeilen zu noch lange nicht endgültig geklärten Fällen von Restitution als Raubkunst verdächtiger Gemälde, verbunden mit der Forderung der Israelitischen Kultusgemeinde nach Schließung des Leopoldmuseums, zeigt das Belvedere eine Ausstellung mit Bildern von Emil Nolde. Dieser deutsche Maler gab als Mitglied der NSDAP krause Dinge von sich gegeben und dennoch galt dessen Kunst als entartet und hatte ein Malverbot zu Folge.

Ein ähnlicher Fall ist Richard Strauss, dessen Rosenkavalier jüngst mit Renée Fleming als Marschallin in der Staatsoper eine sensationell erfolgreiche Premiere feierte. Strauss war Reichsmusikkammer-Präsident, bis 1935 ein Brief an seinen Librettisten Stefan Zweig, in dem er sich abfällig über die Mächtigen des Reiches geäußert hatte, abgefangen wurde. Dennoch konnte und wollte sich der Komponist Strauss ebenso wenig wie der Dirigent Wilhelm Furtwängler der Bewunderung seitens des Führers und dessen Schergen entziehen.

Strauss wie Furtwängler blieben und lieferten damit zweifellos einen Beitrag zur Propaganda eines Regimes, das auf teuflische Weise Millionen Menschen vernichtete und verblendete, sich aber dennoch nicht scheute, sich wie die Götter Walhalls in überirdisch schöner Musik zu sonnen.

Harwoods Sympathie gilt eindeutig dem großen Dirigenten, der sich erfolgreich weigert, von einem rotzfrechen Major Steve Arnold als „Bandleader“ der Nazis vorgeführt zu werden. Dessen offenem Eingeständnis „Ich bin, gelinde gesagt, völlig kulturlos“ darf Furtwängler ein klares Bekenntnis entgegensetzen: „Die Kunst ist meine Religion!“ Trotz peinlichster Befragung und dem fanatischen Willen nach Aufdeckung möglicher niedriger Motive scheitert der amerikanische Inquisitor an seinem Vorhaben, Furtwängler und damit einen wesentlichen Teil des Musikschaffens zu vernichten und auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.

Sein einziger Verbündeter ist zuletzt ein zweiter Geiger, der die Stelle bei den Berliner Philharmonikern lediglich deswegen erhalten hatte, weil zuvor die jüdischen Musiker aus dem Orchester entfernt worden waren. Arnolds (jüdischer) Mitarbeiter Leutnant David Wills und die Schreibkraft Emmi Straube, Tochter eines ermordeten Widerstandskämpfers, werden im Verlauf der Handlung mehr und mehr zu Gegnern und zu Verteidigern von Furtwängler.

Mit Tamara Sachs, der Witwe eines im KZ ermordeten jüdischen Pianisten, hat Harwood eine weitere Figur zugunsten von Furtwängler geschaffen. Sie bringt die Dankesbriefe von Juden, denen der Dirigent aufgrund seines Einflusses das Leben gerettet hat.

Es erscheint im Zusammenhang mit der Bedeutung dieser Thematik beinahe trivial, sich zur großartigen Inszenierung (Rüdiger Hentzschel) und zu den Darstellern zu äußern. Kurz gesagt, man kann sich die realen Personen kaum anders vorstellen als sie dargestellt werden: Daniel Keberle in der Gestalt des verbissenen Major Arnold, oder die immer mehr zu ihrer Meinung findende Emmi Straube mit Natalie Ananda Assmann, Florian Graf als offengeistigen Leutnant Wills, die verzweifelte Tamara Sachs als Monika Pallua und den rückgradlosen Helmuth Rode mit Hermann J. Kogler.

Jörg Stelling sieht Furtwängler nicht nur frappierend ähnlich, er ist auch der Maestro, der gewohnt ist, über Musiker zu herrschen, um sich von einem Moment in den nächsten in seiner Musik zu verlieren, einfach nur dazusitzen und zuzuhören, wenn eine seiner Aufnahmen auf dem Plattenspieler abgespielt wird, und dennoch aller Augen auf sich gerichtet zu haben.

WK, N.N.

Der Fall Furtwängler

Es sind harte Fragen, mit denen das Publikum im Stadttheater Mödling konfrontiert wird: Wie viel politische Verantwortung hat die Kunst? Wo hört die Wahrheit auf, wo fängt die Faktenverdrehung an?

Nach der wahren Geschichte von Wilhelm Furtwängler, dem Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, zeigt das Stück die Schattenseiten der Abrechnung mit Hitler–Deutschland. In der packenden Inszenierung von Rüdiger Hentzschel brilliert Daniel Keberle als sturer und cholerischer Major, der über keinerlei Kunstsinn verfügt. Ihm gegenüber steht ein erschütterter Furtwängler, großartig gespielt von Jörg Stelling. Unterstützt von einer Multimedia-Projektion mit Original Ton- und Bildaufnahmen, liefert das Ensemble ein spannendes Hin und Her.

Fazit: Beinharte Abrechnung mit dem Thema der politischen Verantwortung. Zum Nachdenken!

NÖN, gs

Der Fall Furtwängler

Es sind harte Fragen, mit denen das Publikum im Stadttheater Mödling konfrontiert wird: Wie viel politische Verantwortung hat die Kunst? Wo hört die Wahrheit auf, wo fängt die Faktenverdrehung an?

Berlin 1945: Ein amerikanischer Major lässt sich den berühmten Dirigenten Wilhelm Furtwängler zur Entnazifizierung kommen. Dass alle Welt und sogar sein Stab den Maestro als regimekritisch und genial loben, hindert den kunstfremden Offizier aus der Neuen Welt, für den Furtwängler nur ein ihm unbekannter "Bandleader" ist, nicht daran, an der politischen Unschuld des Künstlers zu zweifeln.

Er will es nicht zulassen, dass die Deutschen sich bereits wenige Monate nach Kriegsende hinter ihren eigenen Leiden als Verlierer verstecken und ihre Verantwortung für Völkermord und Weltkrieg abstreiten.

Aber trägt ein "Unpolitischer" überhaupt eine Mitschuld? Wieviele Konzessionen an ein Regime sind verzeihlich? Gibt es Sonderregelungen für "begnadete Künstler"? Ist der Kulturschaffende in der Diktatur "Hüter des Lichts" oder nur Alibi der Unterdrücker? Was bedeuten überhaupt noch Mozart und Beethoven nach Auschwitz? Ein packendes und geistreiches Duell nach einer wahren Begebenheit, bei dem es sowohl den anderen Figuren des Stücks als auch dem Publikum schwer gemacht wird, sich schnell auf die eine oder andere Seite zu schlagen. (Der englische Originaltitel lautet daher auch "taking sides"...)

Eine Mischung aus Naivität, Ehrgeiz, künstlerischem Sendungsbewusstsein und die Hoffnung, von Innen heraus Gutes bewirken zu können, hat Dirigent Wilhelm Furtwängler dazu gebracht, während des Dritten Reichs in Deutschland auszuharren und sich als Hitlers Lieblingskünstler von den Nazi-Bonzen hofieren zu lassen. Diese Entscheidung rächt sich nun nach Kriegsende, als der Mann mit Arbeitsverbot belegt und vor den Entnazifizierungsausschuss zitiert wird. Über seine Schuld oder Unschuld soll ein amerikanischer Major entscheiden, der von vorneherein die Weisung seiner Vorgesetzten erhalten hat, hier hart durchzugreifen, um an dem Künstler einen Exempelfall zu statuieren. Major Arnold, im bürgerlichen Leben bei einer Versicherung tätig, kehrt mit Freuden den Kulturverächter und Ignoraten hervor; von Klassik hat er nicht viel Ahnung: er spricht prinzipiell nur von dem „Bandleader“, wenn er den Dirigenten meint und würde statt Beethoven sicher einen Beathoven vorziehen.

Daniel Keberle als kaltschnäuzig bornierter Major scheint in seiner Voreingenommenheit von einer unglaublichen Hartnäckigkeit getrieben, präsentiert sich uns zugleich aber auch als fanatischer Verfechter von Wahrheit und Gerechtigkeit. Der Mann mag nämlich tatsächlich der kulturferne Banause sein, als der er sich gerne darstellt, doch seine Argumente lassen sich dennoch nicht ganz von der Hand weisen. Immerhin wird klar, dass hier ein Dilemma vorliegt, bei dem ein Denken in den Kategorien ‚Absolut gut‘ oder ‘Absolut böse‘ nicht weiterhilft.
Jörg Stelling in der Rolle des bedrängten Künstlers wirkt geradezu unheimlich authentisch: der hochgewachsene Mann strahlt einerseits Würde und innere Größe aus, kann aber ganz schnell unter den bedrängenden Fragen seines Kontrahenten zu einem Häuflein Elend zusammensinken.

Rüdiger Hentzschel hat in seiner Inszenierung die bohrende Intensität dieser problematischen Wahrheitssuche perfekt vermittelt, während Bruno Max diesmal wieder ein Bühnenbild beisteuern konnte, das für viel Lokalkolorit sorgt: außerhalb des einzigen Schauplatzes – einem offenen Büroraum mit Holzboden – türmen sich die Spuren der Kriegsverwüstungen in Form von Schutthaufen und Ziegelsteinhalden (und im Halbdunkel des Hintergrundes steht sogar ein Klavier, das leider nie benutzt wird).

event, Franco Schedl

Der Fall Furtwängler

Es sind harte Fragen, mit denen das Publikum im Stadttheater Mödling konfrontiert wird: Wie viel politische Verantwortung hat die Kunst? Wo hört die Wahrheit auf, wo fängt die Faktenverdrehung an?

Nach der wahren Geschichte von Wilhelm Furtwängler, dem Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, zeigt das Stück die Schattenseiten der Abrechnung mit Hitler–Deutschland. In der packenden Inszenierung von Rüdiger Hentzschel brilliert Daniel Keberle als sturer und cholerischer Major, der über keinerlei Kunstsinn verfügt. Ihm gegenüber steht ein erschütterter Furtwängler, großartig gespielt von Jörg Stelling. Unterstützt von einer Multimedia-Projektion mit Original Ton- und Bildaufnahmen, liefert das Ensemble ein spannendes Hin und Her.

Fazit: Beinharte Abrechnung mit dem Thema der politischen Verantwortung. Zum Nachdenken!

NÖN, gs

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