Eine brillante Verbeugung vor all dem Sinnlosen

Dem Regisseur Rüdiger Hentzschel gelingt im klagenfurter ensemble mit Thomas Bernhards existenzialistisch-absurdem Stück ein prächtiger Wurf

Klagenfurt Dass Thomas Bernhard dieser Arbeit einen derart banalen Titel umgehängt hat, ist interessant. Hätte „Forellenquintett nicht besser gepasst? Jene Schubert’sche Kostbarkeit diente dem Meister der Monotonie, der rhapsodisch geordneten Wiederholungen, der Litaneien und insistierenden Sprechweise jedenfalls als Grundierung für eines seiner „untröstlichsten“ Stücke, für die Komödie „Die Macht der Gewohnheit“. 1974 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt, kletterte diese existenzialistisch-absurde -ja- Parabel rasch die Erfolgsleiter hinauf. Es geht um einen armseligen Impressario, der von Drang besessen ist, eine vollkommene Interpretation des „Forellenquintetts“ zu schaffen. Zu diesem Zweck scharen sich seit Jahren täglich ein Jongleur, ein Spaßmacher, ein Dompteur und die Enkelin um den erbärmlich dahinwurstelnden Mann.

Sinnbild des Scheiterns

Die Untertanen stören das zum quälenden Ritual gewordene Geschehen permanent; das Ganze endet in Kakophonie als Sinnbild fürs Scheitern, für die Sinnlosigkeit allen Tuns, des Lebens schlechthin. Für die heimische Kulturszene bedeutsam, ehrend und zu rühmen Anlass gebend:
Dem klagenfurter ensemble, das am Mittwochabend in der Theater Halle 11 zur Premiere bat, ist mit Rüdiger Hentzschels Inszenierung dieser an Tragik entlang-schrammender Komödie ein toller Wurf gelungen.

Zahlreiche „Vorhänge“

Das „ke“ unterstreicht damit einmal mehr seine unverzichtbare Stellung innerhalb des heimischen theatralischen Geschehens. Für Regie und Spiel ist Anerkennung zu zollen, welcher sich denn auch das Publikum im ausverkauften Haus nicht entzog, was die zahlreichen „Vorhänge“ unter Beweis stellten. Peter Raab gibt den Zirkusdirektor. Der altgediente Schauspieler scheint für die Rolle wie geschaffen zu sein. Je unausweichlicher das Scheitern des an den Umständen zerbrechenden, verzweifelnden Direktors voranschreitet, desto „typischer“ gerät Raab in diese grandiose Rolle.
Verneigung ist angebracht sowohl vor ihm als auch seinen Partnern Petra Staduan, Kai Möller, Gerhard Lehner und Felix Strasser, die sich keine falschen Töne leisten, die über klare, genaue Vorgabe Theater bieten, wie es sein soll, eine Leistung abliefern, die sehr viel größeren Bühnen gut zu Gesicht stünde.

Kärntner Tageszeitung 22.11.2013, Thomas Posch

Aber in Augsburg ist es am schlimmsten

Wieder einmal katastrophal gelaufen oder: Das klagenfurter ensemble hat Glück mit Thomas Bernhard.

Klagenfurt. „Wir wollen das Leben nicht, aber es muss gelebt werden. Wir hassen das Forellenquintett, aber es mussgespielt werden“, ruft der Zirkusdirektor Caribaldi aus. Seit 22 Jahren lässt ihn der Gedanke an die perfekte Interpretation von Schuberts Musikstück nicht mehr los. Allein, die Proben mit seinen musikalisch völlig inkompetenten Artisten enden jedes Mal in einer Katastrophe. Glück für das klagenfurter ensemble, das „Die Macht der Gewohnheit“ in der Inszenierung von Rüdiger Hentzschel als Schlusspunkt hinter das Schwerpunktjahr „Ton.Hof.Spur“ setzte. Umkreist von „Forell-Piranhas“ der Künstlerin Caroline, die auch sehr witzige Kostüme entworfen hat, gräbt sich Peter Raab in jene Rolle, die Thomas Bernhard für seinen Lieblingsschauspieler Minetti geschrieben hat: ein autoritärer Grantscherben, dessen Scheitern am (eigenen) Mittelmaß auch am Cello nicht zu überhören ist und der deshalb seine Umgebung terrorisiert.
Regisseur Rüdiger Hentzschel spielt mit dem unterschwelligen Widerstand der „Instrumente“ und steigert dadurch den absurden Charakter der Komödie. Mit einer zärtlichen Pantomime in der Künstlergarderobe überrascht Petra Staduan, die als Caribaldis Enkelin nur zu funktionieren hat. Originell in Mimik und Gestik gibt Felix Strasser den Spaßmacher mit der ständig herabrutschenden Haube. Kai Möller ist der frustrierte Jongleur. Gerhard Lehner ist tragikkomisch als Rettich essender Dompteur. Dazwischen glänzen die subtilen Beschreibungen Bernhards über die Tourneestädte und ihr Publikum: laut Caribaldi stinken die Leute in jeder Stadt anders, „Augsburg ist am schlimmsten“

Kleine Zeitung 22.11.2013, Uschi Loigge

Klagenfurt: Fulminanter Endspurt auf der „Ton.Hof.Spur“
Zwischen Casals & Kunstpudel

Mitwoch ging im ausverkauften Theater Halle 11 mit der Premiere von Thomas Bernhards „Die Macht der Gewohnheit“ die „Ton.Hof.Spur“ des klagenfurter ensembles leuchtend zu Ende. Eine brillante Darstellerriege, angeführt von Peter Raab, erntete in der präzisen, dynamischen Inszenierung von Rüdiger Hentzschel verdienten Jubel.

Die raffiniert-witzigen Ausstattungslösungen von Caroline und die werk-gerechte Dramaturgie von Maja Schlatte tun ein Übriges, damit der Lampersberg-Freund und -Feind Bernhard in seiner 1974 entstandenen Komödie unterhaltsam dicht erlebbar wird. Der für den Autor typische Monolog bricht immer wieder in Dialoge auf, in straffer Choreographie der Worte und Gesten. Lächerlich und realitätsfremd ist das Unterfangen von Zirkusdirektor und Casals Verehrer Carialdi (ein Hochgenuss: Peter Raab), seinen Artisten(Peter Staduan, Kai Möller , Gerhard Lehner , Felix Strasser) Schubert „Forellenquintett“ als große Nummer aufzuzwingen – übt er es doch selbst erfolglos seit zwanzig Jahren.. Doch hat eben alles geübt und geübt zu sein, ob Teller-, Seil- oder Kunstpudelnummer. Selbst der Fall der Mütze des Spaßmachers muss bei der nächsten Vorstellung klappen, wie alles andere auch und irgendwann das Forellenquintett. Doch ziehen die Mächte der Gewohnheit und im Fall des Dompteurs auch des Schicksals (ke-Chef Lehner als Bier und Rettich-konsument) den Prinzipal mit seiner Truppe tief in den Bernhardschen Strudel aus „Dummheit, Krankheit und Unverständnis“ in dem Schubert aus dem Kofferradio rauscht und Forellen zu Piranhas werden.

Neue Kronenzeitung 22.11.2013, Andrea Hein

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