Fremde im eigenen Haus

Einst kaufte Alfred Hitchcock die Filmrechte für "Die Falle" von Robert Thomas. Den Stoff, den er nicht mehr drehen konnte, zeigt nun das Fritz Rémond Theater.


Der Vorhang geht auf, das Publikum fühlt sich von der Farbe Blau überwältigt und applaudiert. Wolkenfrei ist der Horizont, den Bühnenbildner Klaus-Ulrich Jacob hinter der Glasfensterfront eines Wohnzimmers simuliert. Sind wir an der Côte d'Azur? Nein, in den französischen Alpen, in einem Chalet bei Chamonix. Zwischen stabilen Wänden aus roh behauenen Steinquadern lümmelt sich ein frischgebackener Ehemann auf dem Sofa und wartet auf seine durchgebrannte Frau. Herein tritt der Polizeikommissar, der ihm die Vermisste zurückbringen soll. Noch bevor das erste Wort gefallen ist, klatschen die Zuschauer abermals. Sie haben ihn wiedererkannt, den Tatort-Kommissar mit der Fliege: Karl-Heinz von Hassel.
So beginnt im Frankfurter Fritz Rémond Theater "Die Falle". Der französische Autor Robert Thomas ist mit diesem Bühnenkrimi so berühmt geworden, dass man ihn als "natürlichen Sohn von Agatha Christie und Marcel Achard" ansah. Alfred Hitchcock kaufte Thomas für 20 Millionen Franc einst die Filmrechte ab. Leider hat ihn Freund Hein vor dem Dreh abkommandiert. Aber als Bühnenstück brachte es "Piège pour un homme seul" bis heute auf mehr als 50 000 Vorstellungen, in Deutschland allein auf etwa 1500. Jetzt hat Rüdiger Hentzschel die deutsche Übersetzung im Frankfurter Zootheater inszeniert: eine spannungsgeladene Tour de force mit allen Zutaten eines Thrillers.
Daniel Corban wartet also auf seine Frau. Da kommt sie hereinspaziert, eskortiert vom Abbé des Dorfs. Aber Corban erkennt sie nicht wieder. Das ist nicht seine Elisabeth. Dennoch kennt sich die Fremde so in seinem Privat- und Intimleben aus, dass sogar der Kommissar am Verstand des verzweifelten Sommerfrischlers zweifeln muss. Leidet Corban an Amnesie? Oder ist er das Opfer einer kriminellen Bande, die hinter dem Erbe seiner wohlhabenden Gattin her ist? Zwei Zeugen stellen sich ein und verschwinden wieder. Die Innenarchitektur des Feriendomizils mit seinen beiden Eingängen und der gewaltigen Glasfront im Hintergrund spielt mit in dieser von Hentzschel raffiniert inszenierten, wohlkonstruierten Dramaturgie.
Hassels Kommissar gibt sich jovial: ein philosophierender Lebenskenner, der mit allen Wassern seiner kriminalistischen Zunft gewaschen ist und souverän die Handlung steuert. Christopher Krieg, ein in die Enge getriebener Corban, ist bei ihm in besten Händen. Der eingeschüchterte Ehemann erweckt des Zuschauers Grauen und Mitleid wie in einer antiken Tragödie. Kein Wunder bei dieser Pseudo-Xanthippe: Verena Wengler schürt Aggressionen, ihre angemaßte Hausherrin wirkt so resolut und selbstbewusst, dass jeder Widerspruch sich erübrigt. Dennoch ist ihr Ivan Vrgoc als Abbé an Kaltblütigkeit überlegen. Andreas Pegler und Ines Arndt bewähren sich als malender Clochard und verschuldete Krankenschwester: er gelassen, sie in Panik. Robert Menke darf als Polizist immerhin noch die Handschellen beisteuern. Wer sie bekommt? Das sei nur im Theater verraten.

FAZ Nr. 26, 31.01.2009, Seite 48/ Claudia Schülke

Plötzlich ist die Gattin verschwunden

Robert Thomas’ Kriminalkomödie «Die Falle» begeistert im Frankfurter Rémond-Theater.


«Verraten Sie nicht, wer in die Falle geht.» Das bat man bereits 1975 die Besucher des Stücks im Frankfurter Zoo-Theater. Und sie hielten sich dran. Selbst Insider erlebten nun das Wiedersehen mit dem von Rüdiger Hentzschel bis zum Finale knisternd und im wahrsten Sinn des Wortes atemberaubend inszenierten Welterfolg als eine sie neu überraschende Premiere.
Hentzschel, erstmals für Theaterboss Claus Helmer tätig, schickte die sieben Akteure des Stücks mit einer solchen Fülle von Emotionen durch das Geschehen, dass an ihrer Identität und Wahrhaftigkeit– ob gut oder böse – zunächst kein Zweifel aufkam. Klaus-Ulrich Jacob schuf ein auf Tuffsteinmauern und Teakholz basierendes Chamonix-Chalet, das dessen Mieter Daniel und seinen erwünschten oder ungebetenen Besuchern herrliche Verstecke und Fluchtwege bietet. Staunend erlebt man, wie Daniel (großartig: Christopher Krieg) die verschwundene Gattin Elisabeth sucht und der aufkreuzenden Florence (fabelhaft: Verena Wengler) alles Böse zutraut. Besten Glaubens klammert man sich an Karl-Heinz von Hassel (Polizeikommissar von Chamonix), der Daniel prüft, verdonnert und scheinbaren Beistand gewährt. Schön undurchsichtig stattet Ivan Vrgoc den Abbé Maximin aus. Für die den Zuschauer deftig erheiternde Note sorgt Andreas Pegler als Seehecht, den Ulla Röhrs mit Landstreicherklamotten ausstattete. Eine verängstigte aber auch habgierige Krankenschwester Berton ist Ines Arndt, und den, falls nötig, anwesenden Polizisten verkörpert Robert Menke.
Dass Regisseur Hentzschel den Schlager «J’attendrai, j’attendrai toujours ton retour» zur Leitmusik macht, gibt dem Abend einen besonderen Kitzel: Denn natürlich ahnt man, dass der trefflich und, wie schon als «Tatort»-Kommissar Brinkmann, souverän agierende von Hassel mehr Trümpfe im Ärmel hat als Chalet-Mieter Daniel ahnt. Dessen überzeugende Gefühls-Ausbrüche- und Gefühlsschwankungen halten den Fluss des Geschehens nerven- zerfetzend auf Touren. Von Hassels stoische Ruhe gibt ihm Glanz.
Deshalb auch unsere dringende Bitte: Verraten Sie nicht, wie die Gattinnensuche endet! Nicht mal Ihrem besten Freund! Sie würden ihn um ein großes Vergnügen bringen. Der Premierenbeifall fiel über die Maßen herzlich aus.

Frankfurter Neue Presse, 31.01.2009/ Jutta W. Thomasius

Schweigen ist Gold

Je weniger der Zuschauer vorher über "Die Falle" weiß, desto besser für ihn. Ernsthaft. Worüber also schreiben?

Klaus-Ulrich Jacobs Bühnenbild für das Frankfurter Rémond Theater ist so detailreich und ansehnlich, wie weiland die Wohnungseinrichtungen für die Durbridge-Verfilmungen der ARD. Ein Landhaus soll hier dargestellt werden, draußen färbt sich der Himmel abendlich, drinnen wurde geschmacklich zweifelhaft, aber realistisch mit Naturstein dekoriert. Äußerste Anspannung befreit Christopher Krieg von der delikaten Pflicht, im Kamin tatsächlich ein Feuer zu entfachen.
Denn Regisseur Rüdiger Hentzschel, der Krieg als mit Abstand agilster Figur freien Lauf lässt (recht so), achtet darauf, dass alles gut aufgeht und im weitesten Sinne realistisch bleibt. Krieg, dies darf man verraten, spielt einen Mann, dem seine Frau abhanden gekommen ist. Nach einigen Stückminuten bringt ein netter Abbé (Ivan Vrgoc) sie wieder nach Hause, aber er erkennt sie nicht oder will sie nicht erkennen. Wer gut aufpasst und ihren Vornamen mit dem Vornamen der Figur vergleicht, die Verena Wengler laut Programmheft spielt, der ist schon einen Schritt weiter. Wengler lässt allerdings von vornherein durchblicken, dass sie es faustdick hinter den Ohren hat. Die verblüffende Parallele zu Clint Eastwoods Kinofilm "Der fremde Sohn" tut übrigens weiter nichts zur Sache.
Karl-Heinz von Hassel, den unsereiner im ersten Moment immer noch für Hauptkommissar Brinkmann hält, ist auch als französischer Kriminaler besonnen und keine Ausgeburt an Mimik und Lebhaftigkeit. Da das Publikum bald lernt, gegen jedermann auf der Bühne misstrauisch zu sein, ist jedoch gerade seine eherne Seriosität hier von Reiz. Aber er doch nicht ..., werden Sie denken.
Die Krimikomödie "Die Falle" leugnet nicht, dass sie in diesem Jahr 49 wird. Ihr Autor, der Franzose Robert Thomas (1927-1989), wurde hierzulande unter anderem auch mit "Acht Frauen" bekannt. "Die Falle" - so ging es zu im Krimi, bevor Globalisierung und der Alles-war-ja-schon-da-Effekt uns manche Mitratefreude nahmen - schreitet gemächlich voran und ist zugleich völlig auf Pointen ausgerichtet. Herrlich gelingen die Szenen, in denen die Masken fallen. Zur Pause kann sich jeder erfahrene Krimifreund was ausrechnen. Und doch war das Hallo am Ende groß. Einige werden das Stück zwar kennen. Aber wer erinnert sich heutzutage noch an den Ausgang der "Mausefalle"?

FR online, 02.02.2009/ Jutta von Sternburg

Den Thrill ausgekostet

Theater: „Die Falle“ von Robert Thomas im Fritz-Remond-Theater Frankfurt - Spannung bis zum Schluss - Irrungen und Wirrungen


Er schlägt die Hände vors Gesicht, seine Schultern zucken, der ganze Körper bebt. Zweifellos sieht so einer aus, der demnächst zusammenbricht. Daniel Corban (Christopher Krieg) ist bald soweit, denn die spurlos verschwundene Ehefrau Elisabeth bringt ihn fast um den Verstand.
Das sieht auch der Kommissar (Karl-Heinz von Hassel), der ihn wie ein Häufchen Elend – von Alkohol und Tabletten betäubt – in seinem Chalet oberhalb von Chamonix aufsucht, um ihn auf den neuesten Stand der Ermittlungen zu bringen. Mit diesem eindeutigen Bild beginnt Robert Thomas’ Stück „Die Falle“, das Rüdiger Hentzschel für das Frankfurter Fritz-Remond-Theater inszenierte.
Doch was dann folgt, ist eine aberwitzige Aneinanderreihung von Irrungen und Wirrungen. Mysteriöse Personen erscheinen plötzlich auf der Bildfläche und greifen ins Geschehen ein. Abbé Maximin (Ivan Vrgoc) stellt sich beim verzweifelten Ehemann als neuer Priester des Ortes vor und bringt – welch Wunder – die verschwundene Elisabeth (Verena Wengler) wieder zurück. Doch Daniel hat die Frau noch nie gesehen. Die Frau aber beharrt darauf, seine Ehefrau zu sein und will dies auch beweisen Merkwürdige Zeugen tauchen wenig später auf. Und verschwinden auf noch merkwürdigere Art. Wer lügt, wer betrügt wen?
Würde das ganze Stück nicht in dem liebevoll eingerichteten Wohnzimmer des Chalets (Bühne Klaus-Ulrich Jakob), durch dessen Fenster man einen tröstlich strahlend blauen Himmel sieht, spielen, man hätte bald selbst das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Es bleibt vertrackt und verzwickt bis kurz vor Ende des Abends. Und die Auflösung ist tatsächlich überraschend. Eine grandiose Kehrtwendung in letzter Minute, die einen sprachlos macht.
„Der Reiz eines Theaterkriminalstückes liegt darin, dass der Zuschauer hautnah und unvermittelt Dinge erlebt, die er gesehen, gehört, gelesen oder sogar schon als Albtraum erlebt hat.“ Der französische Autor des Stückes, Robert Thomas (1927-1989) weiß schon, wie er seine Zuschauer an ihre Sitzplätze fesselt. Und der Regisseur setzt es um: Mit Spannung die teilweise so unerträglich wird, dass man aufspringen und raus rennen möchte. Nichts mehr sehen, nichts mehr hören von den sich im Kreis drehenden Verhören und Gesprächen. Den dummdreisten Versuchen des sich im Laufe des Stückes zum perfiden Gaunerpärchen mausernden Maximin und Elisabeth, Daniel endlich aus dem Weg zu räumen, um an das Erbe zu kommen. Oder den unbeholfenen Versuchen Daniels, endlich die gefälschte Identität der sich als seine Frau ausgebenden Person zu beweisen.
Als Thomas 1960 versuchte, „Die Falle“ an einem Pariser Theater unterzubringen, schlug sein Vorhaben fehl. Enttäuscht ließ er das Manuskript im Vorzimmer liegen. Das herrenlose Buch wurde schließlich von Jaques Charon gefunden und aufgeführt. Und ein überwältigender Erfolg: Über 50 000 mal wurde es bisher auf einer Bühne gezeigt. Alfred Hitchcock erwarb die Filmrechte.
Rüdiger Hentzschels Inszenierung am Fritz-Remond-Theater schreibt die Erfolgsbilanz fort. Denn zweifellos garantiert das eindringlich gespielte und minutiös inszenierte Werk ein intensives Theater-Erlebnis. Und eines, das man nicht so schnell vergisst.

Main Echo, 02.02.2009/ Bettina Kneller

Spannung pur im schönen Chalet

Elisabeth ist weg. Nach drei Monaten Ehe und einem kleinen Streit abgehauen.


Daniel (Christopher Krieg) ist verzweifelt. Seit einer Woche sucht die Polizei im ganzen Land, vergeblich. Der Kommissar (Karl-Heinz von Hassel) ist gründlich und bedächtig, aber erfolglos. Tatsächlich kehrt die Gattin (Verena Wengler) reumütig zurück, mit einem mysteriösen Priester (Ivan Vrgoc). Im malerischen Chalet entbrennt ein Psycho-Krieg. Denn Daniel behauptet: "Ich kenne diese Frau nicht". Hat er sich den Verstand weggesoffen? Wird ihm übel mitgespielt? Ist eine Bande hinter seinem Geld her, das eigentlich seiner Frau gehört? Ist der Kommissar am Ende der Kopf der Bande? Daniel fürchtet um sein Leben. Nichts ist sicher Zeugen tauchen auf, verschwinden, werden gekauft oder ermordet. Die Schauspieler agieren atemberaubend, nervenaufreibend im tollen Bühnenbild. "Die Falle" heißt das irre Stück. Worum es wirklich geht, wird hier nicht verraten. Die spannende Inszenierung von Rüdiger Hentzschel lässt das begeisterte Publikum bis zum überraschenden Ende rätseln. Heftiger Applaus. Wertung: SEHR GUT 

 

Bild / job

THEATER "Die Falle" - Auftakt nach Maß

Was da zunächst schon vor dem Theater fast spürbar prickelte, war die Freude der Besucher darüber, dass die neue Theatersaison nun endlich wieder begonnen hat. In den weiteren zwei Stunden prickelte und knisterte dann freilich vor allem das Bühnengeschehen dieses überaus gelungenen Einstiegs.


Robert Thomas` "Die Falle" unter der exzellenten Regie von Rüdiger Hentzschel von einem rundum überzeugenden Darstellerseptett auf die Bühne gebracht, sorgte für Spannung und auch viel Verwirrung bei den Amateurdetektiven im Saal. Da gilt das Mitgefühl gleich dem am Boden zerstörten Daniel - Christopher Krieg hält den Spannungsbogen brillant über die ganze Zeit -, dem die kaum angetraute Frau schon wieder aus dem Chalet nahe Chamonix abhanden gekommen ist. Karl-Heinz von Hassel überrascht in jeder Szene Zudem muss er sich mit einem Kommissar herumschlagen, der ihn wohl eher für überspannt hält, als Daniel behauptet, die vom Abbé (ein facettenreicher Ivan Vrgoc) zurückgebrachte Elisabeth (Verena Wengler entwickelt sich wunderbar zum Biest) sei nicht seine verschwundene Gattin. Mitleid kommt auf, wenn der sich wohl dem Wahnsinn nähernde Daniel den immer trotteliger agierenden Kommissar - Karl-Heinz von Hassel überrascht in jeder Szene - nicht von den Lügen - oder sind es gar keine? - der blendend informierten Elisabeth überzeugen kann. Bei den Zuschauern aufkommende Zweifel an Daniels Verstand kann das miträtselnde Publikum spätestens dann erleichtert abhaken, als sichtbar wird, dass Elisabeth und der Abbé irgendwie unter einer Decke stecken. In die Pause werden die Freizeitdetektive mit einem Toten entlassen, der endlich als wieder aufgetauchter Trauzeuge Daniels dem Kommissar hätte beweisen können, dass Elisabeth nicht Elisabeth ist. Kriminalspiel endet mit verblüffender Auflösung Wer aber ist nun Täter, wer ist Opfer? Eigentlich müsste in bester Agathe-Christie-Manier noch irgendeine bis dato unbekannte Person auftauchen, um endlich einen erklärbaren Bösewicht zu haben. Das verblüffende Ende kommt mit einem schließlich doch nicht verabreichten Wahrheitsserum, dass auch den Kommissar wieder ins rechte Kombinationslicht rückt. Ein Start, der Lust auf mehr macht Andreas Pegler, Ines Arndt und Kurt Witkowski gehören auch zu dem eingespielten Team, das jetzt zum wiederholten Male mit diesem spannenden Krimi auf Tournee ist und restlos zu überzeugen wusste. Ein anhaltend applaudierendes Publium dankte in der Realschulaula für den gelungenen Start in eine Saison, die nach diesem Auftakt ganz viel Lust auf mehr macht. 

 

Theatertour Kritik / Hartmut Engelbrecht